Willie Doherty: Galerie Peter Kilchmann, Hardturmstrasse, Zurich

Overview

Willie Doherty lebt seit seiner Geburt, 1959, in einer Umgebung mit zwei Namen, zwei Orten und zwei Gedankenwelten: in Derry/Londonderry, Nordirland. “Hier ist nichts so, wie es zu sein scheint”, charakterisiert er seine Heimatstadt. Jener Ort, an dem er wohnt und arbeitet, ist “zugleich das Terrain, auf dem der noch unentschiedene Kampf um die britische Kolonialpolitik in Irland ausgetragen wird”. 

In Nordirland befindet man sich nicht einfach innerhalb oder ausserhalb der Stadtmauer oder auf dem Ost- oder Westufer des Flusses Foyle, sondern man ist stets an einem strategischen Punkt, man ist unmittelbar verwickelt in eine durch den Lauf der Geschichte noch nicht geklärte Situation.
 
Der Nordirland-Konflikt, die Angst, Entfremdung, Verwirrung, aber auch die Hoffnung stehen konsequenterweise im Zentrum der Arbeit von Willie Doherty. “Mute” (Stumm) heisst ein Werk, das eine Sackgasse zeigt, eine ehemalige Verbindungsstrasse von einem katholischen in ein protestantisches Wohnquartier, abgetrennt durch einen Stacheldraht, der Kommunikation verunmöglicht. “Remote Control” (Entfernte Kontrolle/Fernbedienung) zeigt eine verbarrikadierte Polizei-Station (RUC-Station) im katholischen Viertel Rosemount.  Eine weitere Arbeit mit dem Titel “God Has Not Failed Us” (Gott hat uns nicht verlassen) zeigt ein Haus mit vergitterten Fenstern. Es steht im protestantischen Viertel The Fountain, in einer weitgehend katholischen Nachbarschaft, nahe der umkämpften Altstadt von Derry.
 
Alle drei Arbeiten sind in schwarz/weiss, messen je 122 x 183 cm und wurden 1990/92 geschaffen. Die Titel sind in grossen, weissen Lettern auf die Fotografien geschrieben. Die “Village Voice” zu Dohertys Arbeiten: “Sie sind von einer brutalen Schönheit und von einer stählernen Spannkraft in ihrem Kern.”
 
Zum ersten Mal zeigt die Peter Kilchmann Galerie auch Portrait-Arbeiten von Willie Doherty. Es sind dies drei Diptychen. Die Bilder zeigen Menschen - ein Ehepaar, zwei Brüder, Mutter und Sohn. Alle waren sie Unbekannte, bis ihre Fotos in den Zeitungen erschienen; sie waren Opfer von politischen Gewaltverbrechen, umgebracht von fanatischen Republikanern oder Loyalisten, erschossen vom Militär oder von der Polizei, beseitigt aus Rache oder im Auftrag einer politischen Gruppierung. Die sechs Fotos sind in Zeitungen der Republik Irland erschienen. Die Opfer wurden entweder als “völlig unschuldig” beschrieben oder als “in Verbindungen mit paramilitärischen Vereinigungen stehend”. “Aber in einer Gesellschaft”, so Doherty, “die derart beladen ist mit religiöser und sozialer Identifikation, wird die Frage von Schuld oder Unschuld ohnehin verzerrt”. Zudem gibt es einen kriminalisierenden Effekt durch die Ähnlichkeit der Abbildungen mit den Fotos von Verbrechen. Man vermutet eine Schuld der Opfer allein durch die Publikation, nicht zuletzt die Schuld, “der anderen Religion anzugehören, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein”.
 
Die drei Diptychen -  “Couple”, “Brothers” und “Mother And Son” - messen je  104 x 152 cm und sind ebenfalls schwarz/weiss.
 
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